Rechtsanwälte

Taubmann & Greißinger PartG mbB

Pflichtteil und Schenkungen

Wie Schenkungen den Pflichtteil erhöhen können

Kinder, Ehegatten und in bestimmten Fällen auch Enkelkinder oder Eltern haben Anspruch auf den Pflichtteil, wenn sie der Verstorbene im Testament nicht oder nicht ausreichend bedacht hat. Der Pflichtteil besteht in der Hälfte des Wertes des gesetzlichen Erbteils. Das heißt, der Berechtigte kann vom Erben die Hälfte desjenigen Erbteils verlangen, der ihm zustünde, wenn kein Testament vorläge und die gesetzliche Erbfolge eingreifen würde. 

Selbst einer unter mehreren Erben kann einen Anspruch auf einen Pflichtteil haben, wenn ihm weniger als die Hälfte seines gesetzlichen Erbteils im Testament zugedacht worden ist. Der Miterbe soll also wenigstens seinen Pflichtteil bekommen.

10-Jahresfrist für Schenkungen

Hat der Verstorbene zu Lebzeiten Schenkungen gemacht, kann sich dies auf den Pflichtteil auswirken. Der Verstorbene soll den künftigen Pflichtteilsanspruch nicht dadurch umgehen können, dass er sein Vermögen an bestimmte Personen verschenkt und bestimmte Pflichtteilsberechtigte hiervon ausnimmt. Deshalb werden Schenkungen, die der Verstorbene in den letzten zehn Jahren vor seinem Todestag gemacht hat, bei der Berechnung des Pflichtteils mit einbezogen. Die Schenkungen erhöhen fiktiv den Wert des Nachlasses, aus dem sich der Pflichtteil errechnet. Dabei werden nur Schenkungen innerhalb des letzten Jahres vor dem Todestag in voller Höhe berücksichtigt. Bei Schenkungen aus den Vorjahren wird pro Jahr von den Schenkungen ein Zehntel abgezogen. Die 10-Jahresfrist beginnt bei Schenkungen unter Ehegatten erst mit Auflösung der Ehe. Hat die Ehe zum Zeitpunkt des Todes noch bestanden, sind deshalb sämtliche Schenkungen während der Ehezeit hinzuzurechnen. Anstandsschenkungen, z. B. übliche Schenkungen zum Geburtstag, bleiben bei der Berechnung des Pflichtteils grundsätzlich unberücksichtigt. 

Gemischte Schenkungen

Häufig kommen sog. gemischte Schenkungen vor. Dabei werden zwar vom Beschenkten Gegenleistungen erbracht, diese entsprechen jedoch wertmäßig nicht der Leistung des Schenkers. Darunter fällt z.B. auch die Überlassung einer Immobilie gegen Einräumung eines Nießbrauchs- oder Wohnrechts. Solche Schenkungen erhöhen nur zum Teil den Pflichtteilsanspruch und zwar mit dem überschießenden unentgeltlichen Teil. 

Lebensversicherung als Schenkung

Kompliziert ist die Rechtslage bei Kapitallebensversicherungen. Erhält die Versicherungsleistung der im Vertrag benannte Bezugsberechtigte, fällt die ausbezahlte Versicherungsleistung nicht in den Nachlass. Die Versicherungsleistung erhält damit der Bezugsberechtigte, nicht der Erbe. Demzufolge hätte die Kapitallebensversicherung keine Auswirkung auf den Pflichtteil. Allerdings liegt in den meisten Fällen auch eine Schenkung an den Bezugsberechtigten vor, die bei der Pflichtteilsberechnung zu berücksichtigen ist. Inzwischen ist durch den BGH auch geklärt worden, in welcher Höhe die Lebensversicherung den Nachlasswert, aus dem sich der Pflichtteil berechnet, „fiktiv“ erhöht: Beim widerruflich eingeräumten Bezugsrecht wird die Schenkung in der Regel mit dem Rückkaufswert zum Zeitpunkt des Todes bewertet (BGH, Urteil vom 28.04.2010 – IV ZR 73/08).

Ausstattungen an Abkömmlinge

Werden mehrere Abkömmlinge Erben, sind sie verpflichtet Ausstattungen, die sie zu Lebzeiten z.B. von den verstorbenen Eltern erhalten haben, untereinander auszugleichen. Ausstattungen sind Zuwendungen anlässlich der Heirat oder zur Begründung einer Lebensstellung des Kindes, z.B. die Einrichtung eines Betriebs oder die Aufnahme des Kindes als Gesellschafter einer Firma ohne Kapitaleinlage. Nicht ausgleichspflichtig sind angemessene Ausbildungskosten (z.B. Kosten eines Studiums) des Kindes. Die 10-Jahresfrist gilt für ausgleichspflichtige Ausstattungen nicht. Diese Ausgleichspflicht wirkt sich auch auf den Pflichtteil aus. Sind mehrere Abkömmlinge vorhanden und wären einem pflichtteilsberechtigten Abkömmling gegenüber Ausstattungen auszugleichen, wird der auszugleichende Betrag dem Nachlass hinzugerechnet, aus dem sich dann der Pflichtteil errechnet.

Pflichtteil vom Erben verlangen

Auch wenn bei der Berechnung des Pflichtteils Schenkungen des Erblassers zu berücksichtigen sind, richtet sich der Anspruch auf den Pflichtteil in erster Linie gegen den oder die Erben. Nur wenn dem Erben selbst sein eigener Pflichtteil nicht verbleiben würde, muss sich der Pflichtteilsberechtigte an den Beschenkten halten.

Eigene Schenkungen anrechnen lassen

Hat der Pflichtteilsberechtigte, der die Berücksichtigung von Schenkungen des Verstorbenen verlangt, ebenfalls Schenkungen erhalten, muss er sich diese im Gegenzug genauso anrechnen lassen. Dabei kommt es nicht darauf an, ob diese Schenkungen innerhalb der letzten zehn Jahre oder früher vorgenommen worden sind. Stets anrechnen lassen muss sich der Pflichtteilsberechtigte solche Schenkungen, die er zu Lebzeiten vom Verstorbenen ausdrücklich unter Anrechnung auf den Pflichtteil erhalten hat. Die vorstehenden Ausführungen können nur einen groben Überblick über die Thematik geben, weshalb es sich im Einzelfall empfiehlt, anwaltlichen Rat einzuholen. Das gilt auch für Maßnahmen, die zu Lebzeiten getroffen werden können, um die Pflichtteilsproblematik so weit wie möglich zu vermeiden.


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